Konzern-Betriebsrat und IBM verhandeln Rahmenvereinbarung
Ein Erfahrungsbericht
Carmen Hegner aus dem Bereich „HR Labor Relations“ vertritt die Arbeitgeberseite in den Gesprächen mit dem Fachausschuss Personaldatensysteme des Konzernbetriebsrats der IBM. Frank Remers ist Sprecher des Fachausschusses und vertritt damit die Arbeitnehmerseite. Carmen und Frank waren die Verhandlungsführenden für die KI-Rahmenvereinbarung.
Hier beschreiben sie, wie diese KI-Rahmenvereinbarung im Jahr 2020 erarbeitet wurde, was mit ihr schon erreicht werden konnte und wie die Reise seit dem letzten Jahr weitergegangen ist.
Carmen Hegner
Frank Remers
Im Jahr 2019 haben KBR und Arbeitgeberin ein KI-System zur Empfehlung von Gehaltserhöhungen verhandelt und eine erste Pilot-Regelung dazu abgeschlossen. Zu dem Zeitpunkt war allen Beteiligten klar, dass in Zukunft weitere KI-Anwendungen dazukommen werden, da IBM ihre Kunden bei der Digitalisierung und der Transformation in ein kognitives Unternehmen unterstützt, u.a. durch KI, Quantum Computing, Blockchain, Cloud und Services.
Da sowohl der Personalbereich als auch der Konzernbetriebsrat mit einer Rahmenvereinbarung zu konventionellen IT-Systemen gute Erfahrungen gemacht hatten, wollten wir diesen Rahmen durch spezifische KI-Themen ergänzen.
Trotz der unterschiedlichen Rollen hatten wir die gemeinsame Vision, mit einer innovativen Vereinbarung innerhalb der IBM die Akzeptanz der KI-Systeme zu erhöhen sowie schnellere Verhandlungen von konkreten KI-Systemen zu ermöglichen – und mit einer solchen Vereinbarung eine Vorreiterrolle am Markt einzunehmen, die IBM einen Wettbewerbsvorteil bietet.
Für die Mitbestimmung waren die wichtigsten Überlegungen:
Wir wissen, KI-Systeme sind fehlbar und hängen stark von der Qualität der Daten, den Algorithmen und dem Training ab. Sie müssen unbedingt diskriminierungsfrei sein und zum Nutzen der Belegschaft und des Unternehmens eingesetzt werden. Durch eine Vereinbarung erhöht sich die Akzeptanz der KI-Systeme und somit wird durch einen vertrauensvollen Umgang die Qualität der Eingangsdaten deutlich gesteigert.
Die Arbeitgeberin legte das Augenmerk insbesondere auf Folgendes:
Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz in Unternehmen eröffnet vielfältige Chancen und verändert die Arbeitswelt. In Zukunft wird die Unterstützung durch KI-Systeme immer mehr zur Normalität werden. IBM legt daher bei der Einführung von neuen KI-Systemen großen Wert darauf, dass die Daten nach geltenden rechtlichen Regeln erfasst und nach ethischen Prinzipien verwendet werden. Dazu zählen besonders:
- Transparenz des KI-Systems
- Erklärbarkeit des Ergebnisses
- Fairness der Empfehlung
- Sicherstellung menschlicher Entscheidung
Mit der KI-Vereinbarung wollten wir gemeinsam ein verlässliches Rahmenwerk schaffen, welches die genannten Punkte berücksichtigt.
Wir entschieden uns bewusst, nicht mit dem klassischen Verhandlungsansatz (Vorlage eines arbeitgeberseitigen Vereinbarungsentwurfs) zu starten, sondern über einen Workshop in das Thema einzusteigen.
Eine gemeinsame Veranstaltung in größerer Runde, bestehend aus Mitarbeitenden von „HR Labor Relations“ und den Mitgliedern des Fachausschusses Personaldatensysteme, setzte den Startpunkt. In die inhaltliche Thematik Künstliche Intelligenz wurden die beiden Verhandlungsteams vom damaligen Geschäftsführer Personal für Deutschland/Österreich/Schweiz und zwei anerkannten IBM-Experten auf dem Gebiet der KI eingeführt.
In dieser Sitzung erarbeiteten die beiden Teams mittels Design-Thinking-Methoden die jeweiligen Erwartungshaltungen und Ziele. Es wurde sehr darauf geachtet, dass jede Partei in die Lage versetzt wurde, die Position der jeweils anderen Partei einzunehmen und vertreten zu können. Dies erhöhte die Einsicht in die „Sorgen und Nöte“ des Verhandlungspartners enorm und schuf so eine sehr gute Basis für die weiteren Verhandlungen. Natürlich wurden die Bedürfnisse der Mitarbeitenden und die des Unternehmens in diesen Sitzungen auf die gleiche Art und Weise beleuchtet.
In den darauffolgenden Brainstorming-Sitzungen haben wir den Regelungsinhalt auf Grundlage eines Diskussionsvorschlags gemeinsam erarbeitet. Durch die Vorarbeit gab es keine „Lagerbildung“ und die Diskussionen waren sehr engagiert, lösungsorientiert und offen. Beide Parteien achteten auf einen moderaten bis freundschaftlichen Verhandlungston. Ein wichtiger Baustein hierzu waren die langjährigen Beziehungen der Verhandlungspartner untereinander sowie eine von Vertrauen und Respekt geprägte Atmosphäre, trotz oft widerstrebender Interessen. Auch Corona konnte die Verhandlungen nicht verlangsamen; schnell wurde mittels Videokonferenzen und Kollaborationswerkzeugen eine beschlussreife Regelung vorgelegt und im Juli 2020 im Konzernbetriebsrat beschlossen.
Sicherlich war manche interne Abstimmung im Video nicht mehr per Blickkontakt möglich, die offene Verhandlungsatmosphäre hat dies aber mehr als ausgeglichen.
Erreicht haben wir in den Verhandlungen vor allem zwei Dinge: ein Kategorisierungsschema für KI-Systeme und die Gründung eines KI Ethik Rats. Zudem wurden Bestimmungen für Regelkreise zu den konkreten KI-Systemen in die Vereinbarung aufgenommen, was für die Mitbestimmungsseite ein wichtiger Punkt war.
Die Kategorisierung verpflichtet uns zu einer Interessenabwägung, welche die Chancen und Risiken für das Unternehmen sowie die möglichen Vor-und Nachteile für die Arbeitnehmenden ins Verhältnis setzt. Ein KI-System, das den Mitarbeitenden Empfehlungen zur freien Entscheidung gibt, ohne dass die Führungskräfte diese Information ebenfalls bekommen, ist meist einfach zu regeln. Ein KI-System hingegen mit Vorschlägen für Entscheidungen, die einen unmittelbaren Einfluss auf das Arbeitsumfeld oder die Karriere der Mitarbeitenden haben, erreicht eine andere, kritischere Kategorie. Hier muss sorgfältiger hingeschaut und der Einsatz und die Nutzung in Verhandlungen geregelt werden.
Die Regelkreise sollen Korrekturen bei nicht passenden oder fehlerhaften Empfehlungen sicherstellen und den Entwicklungsteams Rückmeldungen zur Verbesserung der KI-Systeme zur Verfügung stellen. Die Akzeptanz von KI-Systemen bei den Mitarbeitenden steigt durch die Treffsicherheit der Empfehlungen, die Möglichkeit, Einfluss zu nehmen, und das Wissen, KI-Systemen nicht ausgeliefert zu sein.
Der KI Ethik Rat repräsentiert die beteiligten Funktionen wie „Data Privacy“, IBM-Geschäftsbereiche, Konzernbetriebsrat, Konzernschwerbehindertenvertretung und „HR Labor Relations“ und setzt sich zusammen aus drei KI-Fachleuten der IBM, die z.B. auch in der Enquete-Kommission des Bundestags und beim Deutschen Institut für Normung tätig waren, aus der Konzernschwerbehindertenvertreterin, einem koordinierenden Sprecher und uns beiden. Er soll bei der Einführung von KI-Systemen die Personalabteilung und die Betriebsräte als Fachfunktion beraten und ist auch Teil der Regelkreise, sodass Einwände von Mitarbeitenden von ihm diskutiert und erörtert werden. Zusätzlich soll er KI-Empfehlungen prüfen und eventuell korrigieren. Dabei sind in einem globalen Unternehmen wie IBM, in dem die meisten KI-Systeme nicht im Land entwickelt werden, Personen besonders wichtig, die weitreichenden Einfluss auf diese KI-Systeme nehmen können.
Aktuell stellen wir fest, dass viele „KI-Systeme“ zuerst einmal doch nur IT-Systeme mit klassischen Algorithmen sind. Zum Beispiel sind es meist keine selbstlernenden Systeme. Trotzdem kann unser Kategorisierungsschema auch bei diesen IT-Systemen helfen.
Nun gilt es, die Ausgestaltung der KI-Rahmenvereinbarung voranzutreiben. Erste Systeme mit „echter“ KI werden wir in den kommenden Wochen und Monaten gemeinsam analysieren und verhandeln und dann eine Protokollnotiz zur Rahmenvereinbarung im Konzernbetriebsrat beschließen.
Wir sind stolz darauf, gemeinsam eine solche zukunftsweisende Rahmenvereinbarung verhandelt und abgeschlossen zu haben, die die Voraussetzungen für einen vertrauenswürdigen Umgang mit KI-Systemen innerhalb der IBM in Deutschland legt und uns damit bestens für die Zukunft aufstellt.