20.09.2021

Konzern-Betriebsrat und IBM verhandeln Rahmenverein­barung

Ein Erfahrungsbericht

Carmen Hegner aus dem Bereich „HR Labor Relations“ vertritt die Arbeitgeberseite in den Gesprächen mit dem Fachausschuss Personaldatensysteme des Konzernbetriebs­rats der IBM. Frank Remers ist Sprecher des Fach­aus­schusses und vertritt damit die Arbeitnehmerseite. Carmen und Frank waren die Verhandlungs­führenden für die KI-Rahmen­verein­barung.

Hier beschreiben sie, wie diese KI-Rahmenvereinbarung im Jahr 2020 erarbeitet wurde, was mit ihr schon erreicht werden konnte und wie die Reise seit dem letzten Jahr weitergegangen ist.

Carmen Hegner

Carmen Hegner

Frank Remers

Im Jahr 2019 haben KBR und Arbeitgeberin ein KI-System zur Emp­fehlung von Gehalts­erhöhun­gen verhandelt und eine erste Pilot-Regelung dazu abgeschlossen. Zu dem Zeitpunkt war allen Beteiligten klar, dass in Zukunft weitere KI-Anwendungen dazukommen werden, da IBM ihre Kunden bei der Digitalisierung und der Transformation in ein kognitives Unterneh­men unterstützt, u.a. durch KI, Quantum Computing, Blockchain, Cloud und Services.
Da sowohl der Personalbereich als auch der Konzernbetriebsrat mit einer Rah­men­vereinbarung zu konventionellen IT-Systemen gute Erfahrungen gemacht hatten, woll­ten wir diesen Rahmen durch spezifische KI-Themen ergänzen.

Trotz der unterschiedlichen Rollen hatten wir die gemeinsame Vision, mit einer innovativen Vereinbarung innerhalb der IBM die Akzeptanz der KI-Systeme zu erhöhen sowie schnellere Verhandlungen von konkreten KI-Systemen zu ermöglichen – und mit einer solchen Verein­barung eine Vorreiterrolle am Markt einzunehmen, die IBM einen Wettbewerbsvorteil bietet.

Für die Mitbestimmung waren die wichtigsten Überlegungen:
Wir wissen, KI-Systeme sind fehlbar und hängen stark von der Qualität der Daten, den Algo­rithmen und dem Training ab. Sie müssen unbedingt diskriminierungsfrei sein und zum Nut­zen der Belegschaft und des Unternehmens eingesetzt werden. Durch eine Vereinbarung erhöht sich die Akzeptanz der KI-Systeme und somit wird durch einen vertrauensvollen Umgang die Qualität der Eingangsdaten deutlich gesteigert.

Die Arbeitgeberin legte das Augenmerk insbesondere auf Folgendes:
Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz in Unternehmen eröffnet vielfältige Chancen und verändert die Arbeitswelt. In Zukunft wird die Unterstützung durch KI-Systeme immer mehr zur Normalität werden. IBM legt daher bei der Einführung von neuen KI-Systemen großen Wert darauf, dass die Daten nach geltenden rechtlichen Regeln erfasst und nach ethischen Prinzipien verwendet werden. Dazu zählen besonders:

  • Transparenz des KI-Systems
  • Erklärbarkeit des Ergebnisses
  • Fairness der Empfehlung
  • Sicherstellung menschlicher Entscheidung

Mit der KI-Vereinbarung wollten wir gemeinsam ein verlässliches Rahmenwerk schaffen, welches die genannten Punkte berücksichtigt.

Wir entschieden uns bewusst, nicht mit dem klassischen Verhandlungsansatz (Vorlage eines arbeitgeberseitigen Vereinbarungsentwurfs) zu starten, sondern über einen Workshop in das Thema einzusteigen. 

Eine gemeinsame Veranstaltung in größerer Runde, bestehend aus Mitarbeitenden von „HR Labor Relations“ und den Mitgliedern des Fachausschusses Personaldatensysteme, setzte den Startpunkt. In die inhaltliche Thematik Künst­liche Intelligenz wurden die beiden Ver­hand­lungs­teams vom damaligen Geschäftsführer Personal für Deutschland/Österreich/Schweiz und zwei anerkannten IBM-Experten auf dem Gebiet der KI eingeführt.

In dieser Sitzung erarbeiteten die beiden Teams mittels Design-Thinking-Methoden die jeweiligen Erwartungs­haltungen und Ziele. Es wurde sehr darauf geachtet, dass jede Partei in die Lage versetzt wurde, die Position der jeweils anderen Partei einzunehmen und vertreten zu können. Dies erhöhte die Einsicht in die „Sor­gen und Nöte“ des Verhand­lungs­partners enorm und schuf so eine sehr gute Basis für die weiteren Verhandlungen. Natürlich wurden die Bedürfnisse der Mitarbeitenden und die des Unternehmens in diesen Sitzungen auf die gleiche Art und Weise beleuchtet.

In den darauffolgenden Brainstorming-Sitzungen haben wir den Regelungsinhalt auf Grund­lage eines Diskussionsvorschlags gemeinsam erarbeitet. Durch die Vorarbeit gab es keine „Lagerbildung“ und die Diskussionen waren sehr engagiert, lösungsorientiert und offen. Beide Parteien achteten auf einen moderaten bis freund­schaft­lichen Verhand­lungston. Ein wichtiger Baustein hierzu waren die langjährigen Beziehungen der Verhandlungs­partner untereinander sowie eine von Vertrauen und Respekt geprägte Atmosphäre, trotz oft wider­strebender Interessen. Auch Corona konnte die Verhandlungen nicht verlangsamen; schnell wurde mittels Videokonferenzen und Kollaborationswerkzeugen eine beschlussreife Rege­lung vorgelegt und im Juli 2020 im Konzernbetriebsrat beschlossen.
Sicherlich war manche interne Abstimmung im Video nicht mehr per Blick­kontakt möglich, die offene Verhandlungsatmosphäre hat dies aber mehr als ausgeglichen.

Erreicht haben wir in den Verhandlungen vor allem zwei Dinge: ein Kategorisierungsschema für KI-Systeme und die Grün­dung eines KI Ethik Rats. Zudem wurden Bestimmungen für Regelkreise zu den konkreten KI-Systemen in die Vereinbarung aufgenommen, was für die Mitbestim­mungsseite ein wichtiger Punkt war.

Die Kategorisierung verpflichtet uns zu einer Interessenabwägung, welche die Chancen und Risiken für das Unternehmen sowie die möglichen Vor-und Nachteile für die Arbeitnehmen­den ins Verhältnis setzt. Ein KI-System, das den Mitarbeitenden Empfehlungen zur freien Entscheidung gibt, ohne dass die Führungskräfte diese Information ebenfalls bekommen, ist meist einfach zu regeln. Ein KI-System hingegen mit Vorschlägen für Ent­scheidungen, die einen unmittel­baren Ein­fluss auf das Arbeitsumfeld oder die Karriere der Mitarbeitenden haben, erreicht eine andere, kritischere Kategorie. Hier muss sorgfältiger hingeschaut und der Einsatz und die Nut­zung in Verhandlungen geregelt werden.

Die Regelkreise sollen Korrekturen bei nicht passenden oder fehlerhaften Empfehlungen sicherstellen und den Entwicklungsteams Rückmeldungen zur Verbesserung der KI-Systeme zur Verfügung stellen. Die Akzeptanz von KI-Systemen bei den Mitarbeitenden steigt durch die Treffsicherheit der Empfeh­lungen, die Möglichkeit, Einfluss zu nehmen, und das Wissen, KI-Systemen nicht ausgeliefert zu sein.

Der KI Ethik Rat repräsentiert die beteiligten Funktionen wie „Data Privacy“, IBM-Geschäfts­bereiche, Konzernbetriebsrat, Konzernschwerbehindertenvertretung und „HR Labor Rela­tions“ und setzt sich zusammen aus drei KI-Fachleuten der IBM, die z.B. auch in der Enquete-Kommission des Bundestags und beim Deutschen Institut für Normung tätig waren, aus der Konzernschwerbehindertenvertreterin, einem koordinierenden Sprecher und uns beiden. Er soll bei der Einführung von KI-Systemen die Personalabteilung und die Betriebsräte als Fachfunktion beraten und ist auch Teil der Regel­kreise, sodass Einwände von Mitarbeitenden von ihm diskutiert und erörtert wer­den. Zusätzlich soll er KI-Empfehlungen prüfen und eventuell korrigieren. Dabei sind in einem globalen Unternehmen wie IBM, in dem die meisten KI-Systeme nicht im Land ent­wickelt werden, Personen besonders wichtig, die weitreichenden Einfluss auf diese KI-Systeme nehmen können.

Aktuell stellen wir fest, dass viele „KI-Systeme“ zuerst einmal doch nur IT-Systeme mit klassi­schen Algorithmen sind. Zum Beispiel  sind es meist keine selbstlernenden Systeme. Trotz­dem kann unser Kategorisierungsschema auch bei diesen IT-Systemen helfen.

Nun gilt es, die Ausgestaltung der KI-Rahmenvereinbarung voranzutreiben. Erste Systeme mit „echter“ KI werden wir in den kommenden Wochen und Monaten gemeinsam analysie­ren und verhandeln und dann eine Protokollnotiz zur Rahmenvereinbarung im Konzern­betriebsrat beschließen.

Wir sind stolz darauf, gemeinsam eine solche zukunftsweisende Rahmenvereinbarung ver­handelt und abgeschlossen zu haben, die die Voraussetzungen für einen vertrauenswürdigen Umgang mit KI-Systemen innerhalb der IBM in Deutschland legt und uns damit bestens für die Zukunft aufstellt.

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