04.02.2022

3 Fragen an…

Christian Braun

Er ist als Tribe Lead im Bereich „Advanced Intelligence“ bei der Atruvia seit Oktober 2020 für KI- und Automatisierungsmodelle in mehr als 900 Volks- und Raiffeisenbanken (VR-Banken) zuständig. Atruvia ist Digitalisierungspartner der genossenschaftlichen Finanzgruppe und berät sie als IT-Dienstleister. Christian Braun erklärt, wie mit KI das Banking vereinfacht werden kann.

Was ist bei Ihnen aktuell in der Entwicklung?

Unter anderem bringen wir jetzt ein spezielles Sprachmodul für Bankvokabular heraus. Die VR-Banking-App hat dann so etwas wie eine eigene interne Siri. Die versteht, wenn ich ihr sage: Ich möchte etwas überweisen, oder: Zeige mir meinen Finanzstatus. Im Tribe arbeiten wir gerade viel an „Meaningful Conversational Intelligence“, also an Kommunikation mit KI-Unterstützung. Aber es geht bei uns auch um Automatisierungsprozesse, mit denen Dokumente erkannt und sortiert werden. Etwa bei einem Immobilienprozess: Da wird dann automatisch gesichtet, eingelesen und eventuell nachgehakt, wenn etwas fehlt, sodass der Berater in der Bank das nicht mehr händisch übertragen muss. Wir arbeiten auch an Vertriebsthemen, mit der Frage: Welche Angebote könnten Kunden interessieren? Ein Kunde bekommt dann nicht die zehnte Mail mit einem Kreditangebot, obwohl er doch gerade genug Geld auf dem Konto hat und eher an Anlagemöglichkeiten interessiert wäre. KI würde hier im Grunde das leisten, was früher der persönliche, regional verwurzelte Bankberater gemacht hat. Der wusste Dinge wie: Frau Meier hat gerade ein Kind bekommen und ist vielleicht an einem Vorsorgeplan interessiert. Oder: Herr Huber hat gerade ein Grundstück gekauft, da wäre doch ein Bausparvertrag günstig.

Wie entwickeln Sie die neuen Modelle? Befragen Sie Mitarbeitende in den Banken?

Wir sprechen viel mit den Mitarbeitenden der Banken und machen dort auch Workshops. Wir möchten ja genau das richtige Feature für unsere Kunden finden. Die Ideen entwickeln sich sehr unterschiedlich. Wir veranstalten zum Beispiel Hackathons, da nehmen auch Bankangestellte teil, die sich mit der genossenschaftlichen Banken- und Firmenstruktur auskennen. Diese sammeln wir dann in einem Ideenpool. Interne Atruvia-Mitarbeitende machen Vorschläge, aber es kommen auch Banken auf uns zu und sagen zum Beispiel: Wir haben Ideen, wie man den Vertrieb verbessern kann. Dann geht es von innen nach außen. Natürlich haben wir auch im Tribe eigene Kompetenzteams, die wiederum den Banken Möglichkeiten vorstellen. Anschließend müssen die Modelle trainiert werden. Im Moment sind in unserem Kompetenzteam verschiedene Banken von unterschiedlichster Couleur: von klein bis groß, von Nord bis Süd, von West bis Ost, mit unterschiedlichen Produkten je Filiale. Das Modell muss schließlich viele Edge Cases kennen. Zum Beispiel beim Erkennen von Behördenformularen: Da gibt es von Bundesland zu Bundesland unterschiedliche Versionen, ein Notarvertrag sieht fast immer anders aus. Die Modelle müssen die volle Palette erkennen, damit sie gut laufen.

Was sagen Sie Leuten, die Angst vor solchen KI-Tools haben? Immerhin gelten Geldgeschäfte speziell in Deutschland als etwas eher Intimes.

Es gibt tatsächlich diese Angst, dass etwas ausspioniert werden könnte. Aber erstens gibt es ja hierzulande einen sehr strengen Datenschutz. Zweitens macht die KI auch nur das, was ein Mensch sonst machen würde. Sie arbeitet nur schneller mit mehr Daten. Ich nehme immer das Beispiel aus der Medizin, wo man KI schon lange zur Interpretation eines Bildes einsetzt. Der Arzt gibt etwa ein Foto von einem unklaren Muttermal in eine Datenbank ein, dort wird es mit unzähligen Fotos und Befunden verglichen. KI liefert so etwas wie eine Zweitmeinung, die Diagnose stellt aber der Arzt. Wenn in der Bank ein KI-Modell schon mal alle Dokumente einsammelt, kontrolliert und Vorschläge macht, kann der Bankangestellte final draufschauen und entscheiden. Und er darf sich Zeit für den Kunden nehmen, was eine bessere Beratungs- und Support-Qualität bringen kann.

 

Ein Interview von Eva Meschede

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