23.11.2021

3 Fragen an…

Markus Zechel

Als Leiter des Programm-Managements „SCM Digital Companions“ und Koordinator der „Data2Value Community“ bei Siemens hat er die KI-basierten „SCM Digital Companions“ initiiert, die weltweit zur Anwendung kommen. Er nennt sich „Analytics Translator“ und erklärt, wie die Zusammenarbeit von Mensch und Maschine gelingen kann:

Was macht ein „Analytics Translator“?

Ich bin kein Technologe, der die KI-Algorithmen im Detail versteht, aber ich weiß, was auf Seite der Technik machbar ist. Deshalb bezeichne ich mich als Analytics Translator. Ich kam zufällig darauf, nachdem ich einen Vortrag gehalten hatte, in dem ich erklärte, was ich in den letzten Jahren gemacht habe. Anschließend kam ein Experte aus den Niederlanden auf die Bühne und fragte, ob ich denn wüsste, wie meine Rolle heißt. Ich meinte: „Vielleicht ‚Master of Desaster’, ‚Vermittler zwischen den Welten?’“ Die Rolle heiße offiziell „Analytics Translator“, sagte er und schickte mir ein Whitepaper dazu. Es ist wirklich genau das, was ich mache: Ich „übersetze“ zwischen den Data-Scientisten und den realen Anforderungen aus dem Business. Ich komme dabei aus der fachlichen Domäne Supply Chain Management & Procurement, dem strategischen Einkauf. Da geht es darum, optimale Preise bei unseren Lieferanten zu erreichen bei einer guten Qualität und Nachhaltigkeit der Produkte. Dabei bemühen wir uns auch um Versorgungssicherheit, gerade in Zeiten von Corona ist es ein wichtiges Thema, dass man eine Second Source aufbaut und nicht nur auf Monopol-Lieferanten zurückgreift.

Sie sprechen bei Siemens in Bezug auf KI-Anwendungen von Companions, wie arbeiten Mensch und der „technische Gefährte“ konkret zusammen?

Es geht darum, Daten auszuwerten, die wir intern erzeugt haben, etwa aus unseren SAP-Systemen, aber auch externe, die wir zukaufen. Ich bringe dazu die richtigen Experten im Projekt zusammen. Bleiben wir beim Lieferanten-Beispiel: Da brauche ich zuerst die Leute aus dem Einkauf, die können mir am besten sagen, was wichtig ist: welche Daten zum Beispiel etwas über die Performance des Lieferanten sagen oder welche über das Einkaufsvolumen informieren usw. Wir gewichten die Daten also gemeinsam mit den Business-Experten und bringen deren Hypothesen zu den Data-Scientisten, die dann wiederum einen Algorithmus entwickeln. Am Ende schlägt der Algorithmus vor, mit welchem Lieferanten gearbeitet werden soll. Aber das ist nur ein Vorschlag, die letzte Entscheidung wird nicht automatisch vom System getroffen, sondern der Mensch sagt „Ja“ oder „Nein“. Das System lernt wiederum aus diesen Entscheidungen. Der Mensch im Einkauf kann sich dann ganz auf sein Kerngeschäft konzentrieren, strategisch arbeiten und muss keine Excel-Tabellen mehr mit Daten füllen – solche Vorbereitungen macht dann der KI-Datenknecht. Allerdings haben wir auch festgestellt, dass die Vorschläge aus dem System nur so gut sind wie die Verfügbarkeit und Qualität der Daten. Da dies nicht immer gegeben ist, haben wir ein weiteres Programm „Data Axxelerator“ gestartet, um vor den Companion Use Cases die Datenlage mit Künstlicher Intelligenz kontinuierlich zu verbessern.

Können Sie ein konkretes Beispiel für einen Companion beschreiben?

Der „Payment Terms Companion“ analysiert Lieferanten, die unterschiedliche Zahlungsziele hinterlegen: etwa 30 Tage, 60 Tage, 90 Tage, und manchmal wird Skonto gezogen, manchmal nicht. Und man sah oft erst im Nachgang, ob man die richtigen Entscheidungen getroffen hatte und die richtigen Zahlungsziele gewählt hatte. Das war zu retrospektiv, nach dem Motto: „Hätte ich doch da 90 Tage genommen und hier Skonto gezogen, wäre es günstiger gewesen.“ Im strategischen Einkauf kann es hier um richtig viel Geld gehen. Und jetzt haben wir einen Companion geschaffen, der proaktiv vorschlägt: Für diesen Lieferanten solltest du 90 Tage wählen und nicht 30. Er rechnet das auch vor, so dass unser User nachvollziehen kann, ob er die richtige Entscheidung trifft, bevor er eine Bestellung rausschickt. Wenn die Use Cases/Companions gut laufen, dann werden sie übrigens auch von vielen gerne benutzt.

Ein Interview von Eva Meschede

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